Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen muss wohl ein sehr taffes Mädchen gewesen sein. Wer schon einmal in ihre Biografie geschaut hat, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Sie war Äbtissin, Dichterin, Benediktinerin, Komponistin, eine bedeutende Universalgelehrte und Fastenkundlerin.
Mit Kräutern hat sie sich viel beschäftigt, nur ob sie auch über Wasser laufen konnte, ist nicht überliefert. Sie wird heute in der römisch-katholischen Kirche als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. Gedenktage an Hildegard von Bingen gibt es auch in der anglikanischen, der alt-katholischen und der evangelischen Kirche.
Des Weiteren gilt sie als erste Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters. In ihren Werken befasste sie sich mit Ethik, Medizin, Musik, Kosmologie und Religion. Man kann wohl zu Recht sagen, dass sie eine bemerkenswerte Frau war – und das im verstaubten Mittelalter.
Wie groß ihr Einfluss war, zeigt sich darin, dass sie auch Beraterin vieler großer Persönlichkeiten ihrer Zeit war. Schon zu ihren Lebzeiten wurde sie als Heilige verehrt. Ein Grund dafür war auch ihr selbstbewusstes und charismatisches Auftreten, das sie zu einer Wegweiserin machte und zu ihrer großen Bekanntheit führte.
Heute ist Hildegard von Bingen eine einzigartige Erscheinung in der deutschen Geschichte. 2008 hat die Regisseurin Margarethe von Trotta das Leben dieser bemerkenswerten Frau und Ausnahme-Theologien mit dem Titel „Vision“ verfilmt. Die Hauptrollen spielte Barbara Sukowa.
Geboren wurde Hildegard von Bingen vermutlich im März 1098 in Bermersheim vor der Höhe. Als zehntes Kind sollte sie ihr Leben der Kirche widmen, was sie auch tat. Sie verstarb am 17. September 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen am Rhein. Ihre Reliquien befinden sich in der Pfarrkirche St. Hildegard und St. Johannes der Täufer im Rüdesheimer Stadtteil Eibingen im Rheingau. Heute wird die Kirche nur als St. Hildegard bezeichnet.
Mensch, Umwelt, Leib und Seele
Wer Hildegard von Bingen heute verstehen will, sollte auf ihre Zitate achten, diese sagen alles über ihr Leben aus! „Was immer ich beginne, ich halte es durch, ich bleibe beharrlich treu und vernichte niemanden.“ Oder: „Erst muss die Seele heil werden, dann kann der Körper folgen“.
In sehr vielen Zitaten von ihr beschäftigte sie sich mit der Seele des Menschen: „Die Macht der Seele kann man in den Augen des Menschen sehen, wenn seine Augen klar, hell und durchsichtig sind, weil die Seele mit Macht im Körper wohnt, um recht viele Werke in ihm zu vollbringen. Die Augen des Menschen sind nämlich die Fenster der Seele.“
Mensch, Umwelt, Leib und Seele, alles stand laut Hildegard von Bingen in einer Verbindung. So heißt es bei Hildegard von Bingen: „Drei Pfade hat der Mensch in sich, in denen sich sein Leben tätigt: die Seele, den Leib und die Sinne“. Nur wenn diese drei Aspekte der Lebensführung ausgewogen beachtet werden, bleibt der Mensch gesund. In einem ihrer Werke beschäftigt Hildegard von Bingen sich ausführlich mit der Schöpfung, der Natur und insbesondere der menschlichen Natur.
Koch- und Backbücher hat Hilde nie geschrieben
Bevor wir auf das Fasten nach Hildegard von Bingen eingehen, müssen wir noch einen Irrtum aufklären: Sämtliche Kochbücher und Backbücher nach Hildegard von Bingen sind eine reine Erfindung der Neuzeit, schreibt der Experte für Heilkunde Johannes Gottfried Mayer, der Medizingeschichte an der Universität Würzburg lehrt.
Der Hildegard-Dinkelkult
Der österreichische Arzt Gottfried Hertzka hatte in den 1960er Jahren die sogenannte „Hildegard-Medizin“ ins Leben gerufen. Er verfasste ein eigenes Hildegard-Medizinbuch mit dem Erfolg, dass sich die Hildegard-Produkte bestens verkauften.
Im Internet finden sich allerlei Dinkel-Diäten nach Hildegard von Bingen, sodass Dinkel-Obst-Gemüse-Fasten, die Dinkel-Reduktionskost und das Dinkel-Brot-Fasten. Das Ganze geht hin bis zur Dinkel-Gemüse-Suppe und der Dinkel-Reduktionskost. Mittlerweile ist ein ganzer Dinkel-Hype daraus entstanden. Hildegard von Bingen hat kein einziges Backrezept mit Dinkel verfasst, sagt der Medizinhistoriker Johannes Gottfried Mayer.
Hildegard von Bingen hat in keinem ihrer Schriften oder Bücher Tipps für die Zubereitung von Speisen gegeben. Auch kein Rezept mit Dinkel, lediglich lobte sie in ihren naturkundlichen Schriften diese Getreidesorte, weil sie gesund sei, mehr nicht, alles andere ist Erfindung oder Wunschdenken. Eine „Hildegard-Medizin“, wie sie heute oft propagiert wird, gibt es nicht.
Hildegard von Bingen war ihrer Zeit weit voraus
Fest steht, Hildegard von Bingen warnte vor zu fettem Essen, Völlerei und übermäßigem Schlemmen. Das hielt sie für die Ursache der meisten Krankheiten des Menschen. Wenn Magen und Darm gesund sind, dann ist der ganze Mensch gesund, schreibt Hildegard von Bingen. An dieser Erkenntnis, die mittlerweile wissenschaftlich bestätigt ist, hat sich bis heute nichts geändert.
Im Buch „Ursachen und Behandlung der Krankheiten“ kann man lesen:
Zu Getränken hatte sie eine ganz klare Einstellung: Zu viel Wasser hielt sie für ungesund, dafür empfahl sie: „Man solle im Sommer mehr Wasser, Bier und verdünnten Wein zu sich nehmen und im Winter den Wein dann pur genießen.“ Zur im Mittelalter beliebten Weinschorle hat sie sogar einen Reim verfasst:
„Wasser allein macht stumm,
man sieht es im Bach am Fische.
Wein allein macht dumm,
man sieht es bei den Herren am Tische.
Um nichts von beiden zu sein,
vermische ich Wasser mit Wein.“
Anscheinend war unsere Hilde auch eine kluge Beobachterin. Zum Frühstück hatte sie auch eine klare Meinung: „Einem körperlich gesunden Menschen ist es gut und heilsam für eine ordentliche Verdauung, dass er sich des Frühstücks enthält bis kurz vor Mittag oder um Mittag herum.“
Nur Kranke und Schwache sollen gleich am Morgen frühstücken, damit sie wieder zu Kräften kommen. Völlig gesunde Menschen können auf das Frühstück bedenkenlos verzichten und erst zu Mittag die erste warme Mahlzeit zu sich nehmen.
Frühstücken sollten nach ihrer Meinung nur schwächere Menschen: Dazu merkt sie an: „Solange ein Mensch nüchtern ist, soll er zunächst ein Gericht zu sich nehmen, welches aus Früchten und Mehl zubereitet ist, weil dies eine trockene Speise ist und dem Menschen gesunde Stärke verleiht. Auch soll er zuerst eine warme Speise verzehren, damit sein Magen warm wird.“ Weiter schreibt Hildegard: „Alles Obst und alle Saft und Feuchtigkeit enthaltenden Dinge wie zum Beispiel (frische) Kräuter, soll er bei seiner ersten Mahlzeit vermeiden, weil diese ihm Fäulnis und Schleim sowie Unruhe in den Säften bringen würden.“
Fasten nach Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen hat das Intervallfasten nach der 16:8-Methode anscheinend schon zu ihrer Zeit erkannt. Wir haben über diese Methode in unserem Gesundheits-Blog ausführlich geschrieben. Sie empfahl eine „Nüchternphase“ von 13 bis 17 Stunden am Tag, die in wissenschaftlichen Kreisen heute als gesundheitsfördernd und lebensverlängernd gilt. Gleichzeitig warnte sie auch vor zu vielem Fasten. Dazu muss man wissen, dass im Mittelalter bis zu 150 Tagen im Jahr gefastet wurde.
Bei Hildegard von Bingen handelt es sich um den bewussten Verzicht auf belastende Nahrungsmittel für eine begrenzte Zeit. Sie schreibt; „Wer nicht ganz gesund und noch nicht krank ist, dem bringt maßvolles Fasten die Gesundheit zurück. Auch die Gesunden sollten diese Kur machen, weil es ihnen die Gesundheit erhält, damit sie nicht krank werden.“ Die Betonung liegt bei ihr auf „maßvollem Fasten“.
Das Hildegard-Heilfasten dauert sechs bis zwölf Tage. Das Heilfasten bei chronischen Erkrankungen kann auf bis zu vier Wochen ausgedehnt werden.
Auch zu den Schlafzeiten hatte sie eine klare Meinung: „Der Mensch soll nicht gleich nach dem Essen schlafen, bevor der Geschmack, der Saft und der Geruch der Speisen an ihre Orte gelangt sind. Hat sich aber ein Mensch eine kurze Zeit hindurch des Schlafes enthalten und sich darauf etwa eine Stunde zur Ruhe gelegt, dann nehmen Fleisch und Blut dadurch zu und er wird davon gesund.“ Sprich: Ein Mittagsschläfchen kann nicht schaden.
Fasten als Universalheilmittel
Das Fasten ist ein ganzheitliches Universalheilmittel hat Hildegard von Bingen früh erkannt. Sie schrieb, nur wer die religiösen Vorschriften einhalte und immer wieder faste, bleibe gesund. Sie beobachtete sehr genau, wie das Fasten nicht nur bei gesunden Menschen wirkte, sondern auch, welche Auswirkungen es bei Krankheiten hatte.
Fasten stärkt das Immunsystem, befreit den Körper von Giftstoffen und überflüssigem Gewicht. Ihre Empfehlungen zu maßvoller und ausgewogener Ernährung haben heute noch Bestand. Sie kam zu der Erkenntnis, dass das Fasten eine starke reinigende und entgiftende Wirkung hat.
Lebensmittel sollte man nach ihrer Fastenlehre danach aussuchen, ob sie nützliche Kräfte für den Menschen besitzen, sowohl bei Nahrungsmitteln als auch beim Trinken. Wie bei allen uns heute bekannten Fasten-Arten empfiehlt auch Hildegard von Bingen, beim Fasten viel zu trinken und an drei bis sieben Tagen keine feste Nahrung zu sich zu nehmen. Auch hat sie über die Heil- und Wirkkraft vieler Pflanzen einiges verfasst und uns hinterlassen.
Ihre besonderen Gaben wurde 1148 von Papst Eugen III. als echt anerkannt und so galt Hildegard von Bingen von da an offiziell als anerkannte Prophetin.
In der Walhalla bei Regensburg hängt heute eine Gedenktafel, die an Hildegard von Bingen erinnert. Wer auf den Spuren von Hildegard wandern will, kann das auf den Hildegard von Bingen Pilgerwanderweg machen. Er verläuft entlang ihrer Lebensstationen, ist 137 km lang und führt in zehn Etappen von Idar-Oberstein nach Bingen am Rhein.
Am 7. Oktober 2012 erhob Papst Benedikt XVI. die heilige Hildegard zur Kirchenlehrerin (Doctor Ecclesiae universalis).
Bleibt gesund!
Quellen:
Der Bund der Freunde Hildegards
Wighard Strehlow: Hildegard-Heilkunde von A-Z: Gesund von Kopf bis Fuss, 11. Auflage 2000, Droemer-Knaur-Verlag